andri pol
Editorial, 2008
Albinojagd in Tansania
Kategoriensieger "Editorial" 2008
Projektbeschrieb
In den Dörfern im Norden Tansanias leben zehnmal so viele Albinos wie im weltweiten
Durchschnitt. An die 5000 sind es bei einer Einwohnerzahl von zehn Millionen. In fast
jedem Dorf trifft man auf einen Menschen mit diesem Gendefekt.
Seit zwei Jahren werden in der Gegend um den Victoriasee Albinos, vor allem Jugendliche
und Kinder, verstümmelt oder getötet, im vorletzten Jahr mindestens zwanzig,
im letzten Jahr 16. Schon früher kam es immer wieder zu Übergriffen. Dabei schnitt
man den Albinos Fingernägel oder Haare ab, jetzt aber wird ihnen der Unterschenkelknochen
abgetrennt, denn skrupellose Medizinmänner versprechen den Käufern eines
Albinoknochens unermesslichen Reichtum und Wohlergehen. So sollen die magischen
Kräfte eines Albinoknochens Minenarbeitern helfen, durch das Gestein zu sehen und
Goldadern zu finden, oder Fischern grössere Fängen verschaffen. Albinos sterben meist
sehr früh an Hautkrebs und anderen Tumoren. Aus Scham beerdigen ihre Familien sie
heimlich, sie verschwinden. Die Dorfbewohner verfallen auch deshalb dem Aberglauben,
Albinos seien unsterblich und verfügten über magische Kräfte, weil niemand je
einen toten Albino oder die Beerdigung eines Albinos gesehen hat. Die Albinos, die wir
für diese Reportage besuchten, waren alle sehr verängstigt und sehen in jedem Fremden
einen potentiellen Knochenjäger. Sie bewaffnen sich zu ihrem eigenen Schutz oder
lassen sich von Massai-Kriegern rund um die Uhr bewachen. Aufgescheucht durch
Medienberichte versucht die Polizei, die Täter zu finden und zu verurteilen, doch der tief
verankerte Aberglaube führt weiterhin zu Morden.