Meinrad Schade
Reportage, 2012
Berg-Karabach – Seltsame Normalität
Projektbeschrieb
Berg-Karabach / September 2011 und Mai 2012
Berg-Karabach ist ein kleines, gebirgiges Gebiet, welches immer wieder Ort von kriegerischen Auseinandersetzungen war. 1923 wurde Berg-Karabach, welches hauptsächlich von christlichen Armeniern bewohnt war, per Dekret als autonomes Gebiet der Sowjetrepublik Aserbeidschan zugeteilt. Die Armenier in Berg-Karabach waren mit diesem Entscheid unzufrieden, sie bildeten zwar die Mehrheit, doch ihr Anteil an der Bevölkerung nahm stetig ab und sie fühlten sich gegenüber den muslimischen Aserbeidschanern diskriminiert. Bis gegen das Ende der Sowjetunion lebten die beiden Volksgruppen mehr oder weniger friedlich zusammen. Als sich jedoch Aserbeidschan und das benachbarte Armenien 1991 für unabhängig erklärten, brach ein blutiger Konflikt aus: Die Armenier in Berg-Karabach wollten nicht länger zu Aserbeidschan gehören. Armenische Truppen und Aufständische drängten gemeinsam die aserbeidschanische Armee zurück. 30‘000 Menschen wurden getötet und eine Million in die Flucht getrieben. Am 12. Mai 1994 trat ein Waffenstillstandsabkommen in Kraft. Im Verlauf des Krieges konnten die Truppen der Republik Berg-Karabach gemeinsam mit der armenischen Armee große Teile des von Berg-Karabach beanspruchten Gebiets unter ihre Kontrolle bringen. Außerdem besetzten sie sieben aserbaidschanische Bezirke, die außerhalb des früheren autonomen Gebiets Bergkarabach liegen.
Seit 1991 sieht sich Berg-Karabach als unabhängiger Staat, wird jedoch von niemandem anerkannt. Völkerrechtlich ist es immer noch zu Aserbeidschan zugehörig. Berg-Karabach verfügt über alles, was einen Staat ausmacht: einen Präsidenten, ein demokratisch gewähltes Parlament, eine Hauptstadt und eine Armee. An der Waffenstillstandslinie, welche auch Frontlinie genannt wird, stehen sich die beiden verfeindeten Armeen gegenüber. Seit Ende des Krieges sind entlang dieser Linie ca. 3000 Aserbeidschanische und Armenisch-Karabachische Soldaten gefallen.