Thomas Weisskopf
Reportage, 2017
Blick in die Hölle
Projektbeschrieb
Es gibt auf der Polizeistation in Tondo (Manila) zwei Zellen. Ein Schild besagt, dass die 14m2 grosse Männerzelle im Idealfall mit 45 Personen zu belegen und die Frauenzelle mit einer Grösse von 6,7 m2 für 18 Insassen vorgesehen ist.
Ich hatte im July und Oktober das grosse Glück, dass ich Stunden und Tage in diesen Zellen verbringen durfte. Es ist momentan praktisch unmöglich mit einer Kamera ein Gefängnis zu besuchen. Ich wurde jeweils ohne einen Wärter eingeschlossen. Die Bilder zeigen hauptsächlich die Männerzelle, welche mit über 90 Gefangenen belegt war. Die Enge, die Luftfeuchtigkeit und der Geruch sind so extrem, dass alle eingeschlossenen Personen schon nach nur wenigen Stunden an die eigenen Grenzen kommen. Die entstandene Arbeit ist eine Allegorie für Hölle auf Erden. Auch die Polizeibeamten finden die Zustände schrecklich. Es fehlt an Ressourcen.
Die Gefangenen erhalten nur Nahrung von Angehörigen. Viele Gefangene sind auf Spenden von anderen Gefangenen angewiesen. Die Insassen bleiben bis zu 2 Monaten dort eingeschlossen ohne zu wissen, wie ihr Fall weiter behandelt wird. Nach zwei Monaten werden sie in der Regel in ein grösseres Gefängnis verlegt. Alle Gefangenen leiden an schrecklichen Hautkrankheiten und viele leiden an Asthma. Ich habe den Gefangenen Unmengen an Essen und Medizin gebracht, wissend, dass es nur eine kleine Erleichterung bringen wird. Nach tausenden von Bildern war mein Projekt beendet, als ich selbst körperlich am Ende war.
Eine Bildauswahl zu treffen ist dementsprechend schwer. Die eingereichten Bilder konzentrieren sich auf die Männerzelle. Auf einem Bild ist eine Frau zu sehen, die von einem männlichen Gefangenen an den Haaren gerissen wird. Sie heisst Ana R. und ist 41 Jahre alt und Mutter von 7 Kindern. Sie wurde mit Drogen (Shabu) erwischt und muss mit einer lebenslangen Strafe rechnen. Sie ist auch auf anderen Bildern mit dem "cute" T-shirt zu sehen. Ich wurde Zeuge wie sie und Jimboy (Junge mit dem "Tribal" T-shirt) und 15 andere Gefangene mitten in der Nacht mit einem Jeepney zur Station gebracht, verhört und schliesslich eingesperrt wurden. Ich habe viele Gefangene persönlich kennengelernt, ihre Geschichten dokumentiert und ihre Angehörige im bitterarmen Slum von Tondo besucht. Auch jetzt noch stehe ich Kontakt zu diesen Familien und versuche zu helfen.