Maria Grazia De Francesco

Reportage, 2015

Dharavi - Mumbais Schattenstadt

Der Lohn hat seinen Preis. Die Gasse ist eng und schmutzig, der Gestank ekelerregend. In rund einem Dutzend Betrieben wird Leder hergestellt: Frische Ziegenhäute stapeln sich bis unters Wellblechdach, Blut und Wasser sickern in die offenen Kanäle. Täglich werden bis zu 1400 Häute verwertet. Pökeln, härten, trocknen, Gerben und Färben. Zehn Stunden harte, dreckige Arbeit; ein guter Lohn hat seinen Preis.

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Mikronähfabrik. In Schichtarbeit entsteht indische und für den Westen bestimmte Kleidung.

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Metall Recycling. Metallüberreste werden in einen Barren eingeschmolzen, der dann drei Häuser weiter in eine Form gegossen wird. Innerhalb von drei bis sieben Tagen liegt das alte Metallrohr aus der vertrauen Autowerkstatt in Form eines Kochtopfs wieder in den Regalen der Läden. Es gestaltet sich schwierig dann abends, ohne laufendes Wasser, das Metall von der Haut zu waschen.

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Plastik Recycling. Aus allen Ecken der Stadt wird Plastik gesammelt und nach Dharavi gebracht. 90 Prozent der Kunststoffabfälle werden hier wiederverarbeitet. Der Plastikmüll wird gewaschen, getrocknet und dann zu Flocken gemahlen, die wiederum gewaschen, getrocknet und dann zu Körnern oder Pellets geschmolzen und für die Herstellung von anderen Plastikprodukten weiterverkauft werden - oft unter erbärmlichen Arbeitsbedingungen.

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Die Seifenfabrik. Der Duft der schweren Seifenbaren verrät, dass es sich nicht um Lavendel- sondern um solide Waschseife handelt. Hoch alkalisch und hauätzend, köcheln zusammengetragen Seifenreste in einem gigantischen Kessel zu einer Brühe, die im ständigen umrühren mit einer Holzkelle, zu wiederverwendbarem Reinigungsmittel für die Armen wird.

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Projektbeschrieb

Dharavi, für viele ein Schandfleck mitten im pulsierenden Herzen Mumbais, für andere ein Ort der Hoffnung und des Aufbruchs. In einem Labyrinth von Gassen, ist der größte Slum Asiens Heimat für über eine Million Menschen auf einer winzigen Fläche von zwei Quadratkilometern. Platz ist kostbar und nebst Wohnraum findet man in Daravi auch mehr als 5000 Geschäfte und über 15’000 Kleinstfabriken.
Die Verarbeitung von Recycling oder das Herstellen von Leder und Textilien geben den Bewohnern Beschäftigung und bringen einen geschätzten Jahresumsatz von über einer Milliarde US Dollar. Einige der gefertigten Endprodukte landen auch in unsere Einkaufswagen. Der Slum gleicht mit seinem regen Treiben einem Bienenstock und die Bewohner ähneln emsig, fleißigen Bienen. Diese Jobs bieten vielen Familien ein Auskommen und eine Perspektive.

Dharavi ist ein eigenständig funktionierendes Ökosystem - eine regelrechte Stadt in der Stadt.
Obwohl scheinbar vom Glück verlassen, strotzen die Bewohner vor Kreativität und Widerstandskraft. Die Portraits zeigen verschiedene Arbeiter in Dharavi und möchten deren faszinierende Lebenskraft und Resilienz zum Ausdruck bringen.
Die Arbeiter beweisen auf eindrückliche Weise, dass man seinem scheinbar ungerechten Schicksal trotzen kann - auch wenn es scheint, dass man zur falschen Zeit am falschen Ort geboren wurde.

Publikationsinformationen

Titel der Arbeit
Dharavi - Mumbais Schattenstadt