Gabriel Hill

Free, 2016

Fluchtschaetze

Farhad, 27
geflüchtet aus Afghanistan, 2007
Geflüchtet bin ich 2007 aus Afghanistan. Zwar hatte ich einige Sachen eingepackt, jedoch befahlen uns die Schlepper auf der Flucht alles wegzuwerfen. Ich brachte es nicht übers Herz dieses Foto meiner Mutter wegzuwerfen und konnte es unbemerkt unter meinen Kleidern verstecken. Seither habe ich meine Mutter nicht mehr gesehen. Daher ist das Foto sehr wichtig für mich.

Fluchtschaetze

Mahmoud, 20
geflüchtet aus Libanon, 2014
Ursprünglich komme ich aus Palästina, flüchten musste ich jedoch aus dem Libanon. Vor einigen Jahren konvertierte ich vom Islam zum Christentum und ein Priester schenkte mir diese Bibel. Während der Flucht drohte unser Boot zu kentern und die Schlepper befahlen uns, allen Besitz, den wir dabei hatten über Bord zu werfen. Die Bibel konnte ich jedoch verstecken.
Sie ist mein grösster Schatz, gibt mir in schweren Zeiten Kraft und auch wenn sie vom Meerwasser durchweicht und stark verschmutzt ist, möchte ich sie nicht gegen eine Neue tauschen.
Hier in der Schweiz lebe ich in einem Heim, welches mehrheitlich von Muslimen bewohnt ist. Nur mein Bruder und meine Familie wissen, dass ich konvertiert bin. Ich kann deshalb mein Gesicht nicht zeigen und bin gezwungen ein Doppelleben zu führen.

Fluchtschaetze

Marie-Therese, 62
geflüchtet aus der DR Kongo, 2008
Von einer Sekunde auf die Andere musste ich meine Heimat verlassen. Leider reichte die Zeit nicht aus, etwas mitzunehmen.

Fluchtschaetze

Migmar, 59
geflüchtet aus Tibet, 1959
Mit meinem Vater, meiner Mutter, meiner Schwester und meinen Grosseltern flüchtete ich 1959 von Tibet nach Indien. Ich war damals etwa zwei Jahre alt. Mein genauer Geburtstag ist unbekannt.
Mit meinem Vater und den Grosseltern erreichte ich Indien. Meine Mutter und meine Schwester hatten wir auf der Flucht verloren.
Das Wichtigste, das wir auf der Flucht dabei hatten, waren die Taschenlampen, die uns den Weg über den Himalaya beleuchteten.

Fluchtschaetze

Suleyman, 18
geflüchtet aus Afghanistan, 2014
Bis ich in der Schweiz angekommen war, dauerte es fast neun Monate. Fünf Mal bestieg ich in der Türkei ein Boot, um nach Griechenland zu gelangen. Immer wieder wurden wir aufgefasst und zurückgeschickt und ein Mal ist das Boot gekentert.
Von all den Sachen, die ich mitgenommen hatte, blieb mir nur dieses Telefon. Meine Mutter kaufte es mir, als ich die Flucht angetreten hatte. Gekostet hatte es 3000 Afghani, etwa 40 Euro, was einen halben Monatslohn für meine Familie war. Das Telefon war für mich die einzige Möglichkeit, meiner Familie Bescheid zu geben, dass es mir gut geht und ihnen mitzuteilen, wo ich mich gerade aufhalte.
Meine Mutter war in grosser Sorge und so konnte ich sie ab und zu etwas beruhigen. Auch half es mir dabei, dass ich mich nicht so alleine fühlte.

Fluchtschaetze

Taghi, 27
geflüchtet aus Iran, 2011
Vor fünf Jahren musste ich den Iran verlassen. Mitnehmen konnte ich nur, was in meine Hosentasche passte und was ich anhatte. Es sollte mehrere Monate dauern, bis ich in der Schweiz ankam. Die meiste Zeit ging ich zu Fuss.
Ein paar Mal überquerten wir mit einem Gummiboot einen Fluss. Ich habe nur diese drei Bilder mitgenommen. Jedes Einzelne steht für eine gewisse Zeit in meinem Leben vor der Flucht, an die ich mich gerne zurückerinnere. Ich hätte gerne mehr Sachen aus meiner Heimat mitgenommen, aber es war unmöglich.

Fluchtschaetze

Vinasithamby, 64
geflüchtet aus Sri Lanka, 1984
1984 musste ich meine Heimat Sri Lanka verlassen. Einen Grossteil der Flucht habe ich zu Fuss bewältigt. Bis ich in der Schweiz ankam, musste ich jedoch noch mit einem Boot, einem Flugzeug und einem Zug reisen.
Mitnehmen konnte ich praktisch nichts, ausser dem, was ich anhatte. Da ich meine ganze Familie zurücklassen musste, waren diese Fotos die einzigen und zugleich wichtigsten Sachen, die ich dabei hatte.
Die Fotos zeigen meine Eltern, meinen Bruder und meine verstorbene Schwester.

Fluchtschaetze

Yosief, 20
geflüchtet aus Eritrea, 2014
Die Flucht in die Schweiz war lang und beschwerlich. Tagelange Fussmärsche, etliche Verhaftungen in verschiedenen Ländern und die Durchquerung einer der grössten Wüsten der Welt machten die Reise nicht gerade angenehm. Glücklicherweise haben wir alle überlebt.
Ich hatte einige Sachen von Zuhause eingepackt, aber vor der Durchquerung der Wüste musste ich alles wegwerfen, damit ich so viele Wasserflaschen wie möglich einpacken konnte. Behalten habe ich nur ein kleines Büchlein mit Telefonnummern und wenige Fotos aus meiner Kindheit. Die Telefonnummern waren für mich lebenswichtig.
Zahlreiche Male wurde ich verhaftet und musste Lösegeld bezahlen, damit sie mich gehen liessen. Glücklicherweise habe ich einen Onkel in den USA, welcher mir dann jeweils Geld schicken konnte.
Seine Nummer war daher das Wichtigste überhaupt für mich.

Fluchtschaetze

Projektbeschrieb

Dramatische Bilder von Flüchtlingen sind allgegenwärtig und in unseren Köpfen hat sich ein gewisses Bild festgesetzt, wie ein Flüchtling auszuschauen hat. Schmutzige Kleider, traurige Gesichter oder im Dreck sitzend in einem Flüchtlingscamp. Nur die wenigsten von uns wissen, wer den die Menschen sind, die hier Zuflucht suchen. Wer flüchten muss kann nur das absolut Wichtigste mitnehmen. Diese Portraitserie portraitiert seit zwei Jahren Flüchtlinge mit dem für sie wichtigsten Gegenstand, den sie auf der Flucht mitnehmen konnten. Was ist wirklich wichtig, wenn alles zurück gelassen werden muss? Dass es sich bei dieser Portraitserie um Flüchtlinge handelt, erfährt man erst beim lesen der zugehörigen Geschichten. Sonst wären sie wie du und ich.
Die Portraits wurden bislang weltweit in über 40 Ländern in Nachrichten, Radio und TV sowie auf unzähligen Webseiten publiziert.

Publikationsinformationen

Titel der Arbeit
Fluchtschaetze