Jojakim / Adrian Cortis / Sonderegger

Jede Branche hat ihre Ikonen, die formal, medial und inhaltlich den Zeitgeist widerspiegeln und die Zeitgeschichte resümieren. So auch die Fotografie.

Zwischen dem privaten Fotografenblick auf den Hinterhof von Nicéphore Niépce 1827 und der ohnmächtigen Zuschauerperspektive auf die Zwillingstürme in New York liegen 175 Jahre. Die eine Ikone ist das Ergebnis einer langen Suche nach der mythischen Quelle der Fotografie. Die andere - Bild von 9/11 - ist das Fanal eines Zusammenpralls von Kulturen, die (Zer-)Störung eines Mythos, mit der jede filmische Fiktion überboten wurde. Beide Fotografien sind Referenzbilder, anhand deren sich die Geschichtsträchtigkeit überprüfen und die Frage nach der Wirklichkeit stellen lässt. Das gilt auch für andere Bilder: die Gebrüder Wright bei ihrem ersten Motorenflug 1903, der Widerstand gegen die Staatsmacht 1989 in Beijing, das Ende der zivilen Überschallfliegerei mit dem Absturz der Concorde im Jahr 2000. Nach 2001 hat die Fotografie aufgrund ihrer digitalen, beliebig veränderbaren Struktur an Authentizität eingebüsst. Man kann den Bildern noch weniger trauen als vorher. Wirklichkeit kann auch konstruiert sein, doppelt sogar - siehe Loch Ness.

Gerade weil die ikonische Macht von Referenzbildern sakrosankt ist, eignen sie sich bestens zur Parodierung. Cortis & Sonderegger breiten die fotografisch redimensionierten Schauplätze erneut als räumliches Geschehen aus. Es ist eine spitzbübische Konstruktion der Dekonstruktion. Anschliessend wird das Modell wiederum auf die fotografische Fläche reduziert, eine reproduzierte Realität zweiter Ordnung. Zwar führt die visuelle Spur in eine lokalisierbare Vergangenheit, gleichzeitig kämpft diese erneuerte (fotografische) Wirklichkeit aber mit ihrem schwindenden Erinnerungsanspruch und wird zu einem vom Original losgelösten Artefakt. Weltgeschichte verkommt zum Spielplatz, gerahmt mit den Zutaten aus Studio, Fundus und Archiv.