Meinrad Schade

Editorial, 2010

Verbrannte Erde

Jahresbester 2010

Semipalatinsk; Kasachstan; 10.8.2010
Maira Schumageldina mit ihrer schwerst behinderten Tochter Schannur (geb. 23.5.1992) vor ihrem Haus in Semipalatinsk. Schannur kann weder laufen noch sprechen und wird von ihrer Mutter rund um die Uhr gepflegt.

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Chagan; Kasachstan, 7.8.2010
Die ehemalige gesperrte Militärstadt Chagan ist heute verlassen. Sie war für die Angestellten des Militärflugplatzes. Die Flugzeuge sollten im Ernstfall die Atombobe zum Zielort fliegen.

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Semipalatinsk; Kasachstan; 31.7.2010
Hochzeitsfeier unter dem Denkmal für die Atomtests der ehemaligen Sowjetunion. An Wochenenden wechseln sich die Paare unter dem Denkmal im Fünfminutentakt ab.

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Kurtschatov; Kasachstan; 5.8.2010
Ein Modell des Testgeländes

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Semipalatinsk; Kasachstan; 1.8.2010
Berik Sysdikow (geb. 11.1.1979) hält seinen Neffen auf dem Schoss. Beriks Mutter hatte als sie mit Berik schwanger war zweimal, wenige Tage hintereinander, einen Atompilz gesehen.

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Dolon; Kasachstan; 9.8.2010
Ludmila Shakhvorostova (geb. 3.12.1930) mit ihren beiden geistig behinderten Söhnen Anatoli (rechts, geb. 8.9.1956) und Alexander (links, geb. 6.2.1958) vor ihrem Haus in Dolon.

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Semipalatinsk; Kasachstan; 6.8.2010
Nikita Bochkarev (geb. 8.1.1991) bedient mittels eines von seinem Vater gebastelten Helmes die Computertastatur. Nikita wurde mit Zerebrallähmung geboren und kann nicht sprechen.

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Semipalatinsk; Kasachstan; 12.8.2010
Ein Gemälde von Alexander Alexejewitsch Schewchenko (geb. 1927, bereits verstorben). Er diente zwischen 1947 und 1951 als Soldat auf dem Testgelände

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Projektbeschrieb

Fast 500 Atombomben zündeten die Sowjets zwischen 1949 und 1989 in der Region von Semipalatinsk – zu Testzwecken. Es war die Zeit des Kalten Krieges, auf beiden Seiten des eisernen Vorhangs wurde fieberhaft an der Weiterentwicklung der Bombe gearbeitet. Die Menschen waren diesen Tests mehr oder minder schutzlos ausgeliefert, dies durchaus auch beabsichtigt, um die Folgen eines möglichen Atomkriegs zu untersuchen.
Heute ist die immense Hitze, welche die Steppe verbrennen liess, längst verpufft, der Kalte Krieg Vergangenheit und Semipalatinsk eine Stadt im Osten des seit 1991 unabhängigen Kasachstans. Geblieben ist eine Gegend, die von kranken Menschen gezeichnet ist. Die Krebsrate ist doppelt so hoch wie in vergleichbaren, nicht verseuchten Gebieten, um nur ein Beispiel zu nennen. Die Menschen von Semipalatinsk sind gezwungen, die Folgen der Bombe in ihren Alltag zu integrieren. Unter einem Denkmal für die Opfer der Atomtests, einem riesenhaften Atompilz, stellen sich an Wochenenden im Zehnminutentakt die frisch vermählten Paare für das Hochzeitsfoto auf – und niemand scheint sich daran zu stören.
Die Arbeit ist ohne Auftrag entstanden und Teil meines Langzeitprojektes mit dem Titel: «Vor, nach und neben dem Krieg – Spurensuche an den Rändern der Konflikte».

Publikationsinformationen

Titel der Arbeit
Verbrannte Erde
Publikation
WOZ Die Wochenzeitung
Ausgabe
47, 25.11.2010
Seite(n)
15-17